Dienstleistungen
Rz. 15
a) Bei Dienstleistungen ist zu beachten, dass das Widerrufsrecht bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist erlöschen kann oder bei manchen Dienstleistungen kraft Gesetz nicht besteht.
Dienstleistungen können tatsächliche, handwerkliche, wirtschaftliche oder rechtliche Handlungen sein. Sie werden in verschiedenen Wirtschaftsbereichen erbracht, insbesondere in den Bereichen Handel, Handwerk, Verkehr, Hotel, Gastronomie, Gesundheit, Erziehung und Bildung. Zu den Dienstleistungen gehören insbesondere Handwerksarbeiten, Heilbehandlungen, Finanzanalysen, Beratungen, Wissensvermittlungen.
Dienstleistungen im Rahmen des Widerrufsrechts können auch digitale Dienstleistungen sein. Die EU-Verbraucherrichtlinie (umgesetzt im Mai 2022) erfasst auch Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen (vgl. BT-Drs. 19/27655, Seite 18, 19, 29).
Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher z.B. die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen (
§ 327 Abs. 2 BGB@)
b) Das Widerrufsrecht besteht bei bestimmten Dienstleistungen nach
§ 312g Abs. 2 BGB@ nicht, z.B. bei Verträgen
- Nr. 8, zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt
- Nr. 9, zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken.
- Nr. 9, zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht, z.B. Ticketverkauf für Konzerte oder Sportveranstaltungen (siehe Tickets, Rz.14)
- Nr. 12, zur Erbringung von Wett- und Lotterie-Dienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat.
c) Das Widerrufsrecht erlischt bei entgeltliche Dienstleistungen bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist, wenn
- der Unternehmer die Dienstleistung „vollständig erbracht“ hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat,
- nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und
- gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert (§ 356 Abs. 4 BGB@).
Nicht jeder Verbraucher, der dem Beginn der Dienstleistung innerhalb der Widerrufsfrist zustimmt, kennt die gesetzliche Rechtsfolge. Daher muss er darüber informiert werden und die Kenntnis (das er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung verliert) ausdrücklich bestätigen.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht nicht bereits, wenn der Unternehmer mit der Dienstleistung beginnt. Ein vollständiges Erbringen der Leistung erfordert, dass der Unternehmer seine Hauptleistung vollständig erbracht hat.
Welche Pflichten die Hauptleistungspflichten sind, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses. Entscheidend ist, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH 06.05.2021 - III ZR 169/20, Leitsätze).
Beginnt der Unternehmer während der Widerrufsfrist mit der Dienstleistung, dann hat der Verbraucher während der Widerrufsfrist weiterhin Zeit zum Überlegen, ob er die Dienstleistung will. Solange der Unternehmer seine Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hat, kann der Verbraucher seine Erklärung widerrufen. Möchte der Verbraucher die Dienstleistung nicht weiter in Anspruch nehmen, kann er sein Widerrufsrecht ausüben.
d) Bei einem Dauerschuldverhältnis erlischt das Widerrufsrecht nicht mit der erstmaligen Erbringung der Dienstleistung (BT-Drs. 19/27655, Seite 29). Das Widerrufsrecht besteht fort. Die gesetzlichen Voraussetzungen für das Erlöschen des Widerrufsrechts sind davon abhängig, ob eine entgeltliche Dienstleistung oder unentgeltliche Dienstleistung vorliegt (siehe Dauerschuldverhältnis,
Rz.17).
Bei einer entgeltlichen Dienstleistung erlischt das Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher ausdrücklich dem Beginn der entgeltlichen Dienstleistung zustimmt, in Kenntnis der Rechtsfolgen (dass das Widerrufsrecht erlischt, vgl.
§ 356 Abs. 4 BGB@).
Bei einer unentgeltlichen Dienstleistung (keine Zahlung eines Preises) erlischt das Widerrufsrecht nur bei vollständig erbrachter Leistung (
§ 356 Abs. 4 BGB@), z.B. bei unentgeltlichen Verträge mit sozialen Netzwerken (vgl. BT-Drs. aaO). Nach dem Wortlaut der Vorschrift führt diese Regelung bei unentgeltlichen Dienstleistungen zu einem zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht.
e) Beginnt der Unternehmer mit seiner Dienstleistung gegen Entgelt und widerruft der Verbraucher seine Erklärung, bevor der Unternehmer seine Dienstleistung vollständig erbracht hat, dann schuldet der Verbraucher dem Unternehmer den Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn er darüber informiert worden ist. Der informierte Verbraucher wird wertersatzpflichtig (siehe Wertersatz,
Rz.25).
f) Sofern eine Leistung darin besteht, dass Daten auf nicht körperlichen Datenträgern in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, ist das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten zu beachten (siehe Downloadprodukte,
Rz.18).
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