jura-basic (Vollmacht Vollmachtsurkunde) - Grundwissen
   
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Stellvertretung (Vollmacht)

Vollmachtsurkunde

Rz. 10

Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1 BGB@).

Der Vollmachtgeber kann dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde aushändigen. Die Vollmachtsurkunde ist der Nachweis der Vertretungsmacht. Die erteilte Vertretungsmacht ist auch ohne Vollmachtsurkunde wirksam. Die Vollmachtserteilung ist formlos möglich (vgl. § 167 Abs. 2 BGB@).

Hat der Vollmachtgeber eine Vollmachtsurkunde ausgestellt und ausgehändigt, dann bleibt die Vollmacht bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt worden ist (§ 172 BGB@).

Die Vollmachtsurkunde ist insbesondere bei einseitigen Rechtsgeschäften von Bedeutung. Denn nach § 174 BGB@ ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn

  • der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und

  • der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.

Einseitige Rechtsgeschäfte sind beispielsweise Kündigungen.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft (z.B. Kündigung) ist aber auch ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde wirksam, wenn der Vertreter vertretungsberechtigt ist.

Zum Schutz des Erklärungsempfängers wird das Rechtsgeschäft (z.B. die Kündigung) unwirksam, wenn er das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Vollmachtsurkunde unverzüglich zurückweist. Der Empfänger hat ein berechtigtes Interesse zu wissen, ob der handelnde Stellvertreter bevollmächtigt ist. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob er bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (BAG, 24.9.2015, 6 AZR 492/14 unter Tz. 25)

Der Stellvertreter hat die Vollmachtsurkunde im Original vorzulegen. Eine Kopie genügt nicht, z.B. die Telefaxkopie einer Originalurkunde ist keine Vollmachtsurkunde iSd § 174 BGB@ (BGH, 10. Oktober 2017 – XI ZR 457/16, Leitsatz und Tz. 26). Bei einer Untervertretung ist nicht nur die Vertretungsmacht des Untervertreters, sondern auch die des Hauptvertreters durch Vollmachtsurkunde nachzuweisen (BGH, 25. Oktober 2012 - V ZB 5/12, Tz. 10). Denn fehlt es an der Hauptvollmacht, so handelt auch der Unterbevollmächtigte ohne Vertretungsmacht (vgl. BGH aaO, Tz. 12).

Eine Zurückweisung nach § 174 BGB@ ist nur wirksam, wenn sich aus der Erklärung ergibt, dass die Zurückweisung wegen der fehlenden Vollmachtsurkunde im Original erfolgt. Die Zurückweisung hat unverzüglich zu erfolgen. Die Zurückweisung 6 Tage nach Zugang ist nicht mehr unverzüglich (BGH, 10. Oktober 2017 – XI ZR 457/16, Tz. 26). Erfolgt die Zurückweisung zu spät, ist das einseitige Rechtsgeschäft bzw. die Vertretung wirksam.

Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber dem Erklärungsempfänger die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hat (§ 174 BGB@). Das Inkenntnissetzen soll ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde sein. Daher muss die Mitteilung so konkret sein, dass der Erklärungsempfänger aus der Mitteilung zweifelsfrei die Berechtigung zum konkreten Rechtsgeschäft entnehmen kann (vgl. BAG, 14. April 2011, 6 AZR 727/09 unter Tz. 23).

Beispiel: Für ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB@ reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion kündigen dürfe, nicht aus (BAG, 14. April 2011, 6 AZR 727/09 unter Tz. 23). Auch genügt es bei einseitigen Rechtsgeschäften für den Nachweis iSv. § 174 Satz 1 BGB@ grundsätzlich nicht, dass für ein früheres einseitiges Rechtsgeschäft die erforderliche Vollmacht vorgelegt war (BAG, 24.9.2015, 6 AZR 492/14 unter Tz. 25). Etwas anderes soll gelten, wenn eine früher vorgelegte Vollmacht sich auch auf das später vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft erstreckt, etwa auf eine Folgekündigung, sofern dem Erklärungsempfänger nicht zwischenzeitlich vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt worden ist (BAG aaO, Leitsatz). Werde dagegen die Vollmacht nur für eine bestimmte, zugleich mit der Vorlage der Vollmacht erklärte Kündigung erteilt, oder werde dem (späteren) Erklärungsempfänger vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt, dann bestehe bei späteren einseitigen Rechtsgeschäften (wieder) die Ungewissheit, die § 174 BGB@ ausräumen wolle, so dass eine Zurückweisung wieder in Betracht komme (so BAG aaO unter Tz. 26-28).

Die Regelung von § 174 BGB@ für einseitige Rechtsgeschäfte gilt auch für die Vertretung zu zweiseitigen Rechtsgeschäften, wenn die Erklärung des Vertreters solche Wirkungen hat, die denen einer einseitigen Erklärung entsprechen. Dies ist bei der Erklärung der Annahme eines Angebots durch den Vertreter der Fall, da hierdurch unmittelbar der Vertrag geschlossen wird (vgl. BGH 10. Oktober 2006 - KZR 26/05, Tz. 19).

Gibt ein Vertreter auf eine Vertragsangebot eine Annahmeerklärung ab, dann ist § 174 BGB@ zu beachten.

Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, dann ist § 174 BGB@ nicht anwendbar (BAG, 20. September 2006 – 6 AZR 82/06, Leitsatz). Daher gilt die Vorschrift nicht bei gesetzlichen Vertretern (Organen) einer Gesellschaft (BGH, 28. Oktober 2002, II ZR 353/00, S. 6). Es bestehe keine Ungewissheit, ob das Rechtsgeschäft (z.B. Kündigung) tatsächlich der vertretenen Person (Gesellschaft) zugerechnet werden könne. Dies gilt aber nur, solange die Vertretungsbefugnis aus einem Register ersichtlich ist (vgl. BGH, 20. Februar 2014 - III ZR 443/13, Tz. 14)

Die Regelung des § 174 BGB@ findet auch im öffentlichen Dienst Anwendung (BAG, 20. September 2006 – 6 AZR 82/06, Leitsatz).

Gibt der Stellvertreter ein Vertragsangebot ab, dann muss er keine Vertretungsurkunde vorlegen. Auf Vertragsangebote ist § 174 BGB@ weder direkt noch analog anwendbar (BGH, 19.05.2010 - I ZR 140/08 unter Tz. 15; Vollmachtsnachweis).

Auch auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist § 174 BGB@ nicht anwendbar, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden ist (BGH, aaO, Leitsatz).

Enthält eine Abmahnung zugleich die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, dann ist letztendlich die Erklärung auf den Abschluss eines Unterwerfungsvertrags gerichtet. Die Entscheidung des BGH betraf eine Abmahnung mit Unterwerfungserklärung nach dem UWG (BGH aaO, Tz. 12-15). In den Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters habe, könne der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen (so BGH), z.B. der Betroffene unterschreibt und macht die Wirksamkeit seiner Unterschrift (Erklärung) von der Vorlage abhängig. Dadurch weist der Betroffene die Unterwerfungserklärung wegen fehlender Vollmachtsurkunde nicht zurück.


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