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AGB (Individualabrede)

Aushandeln

Rz. 2

Eine gemeinsam ausgehandelte Vertragsvereinbarung (Individualabrede) geht einer einseitig vorformulierten Vertragsbedingung (AGB) vor (§ 305b BGB@).

Aushandeln bedeutet mehr als bloßes Verhandeln. Vielmehr muss der Verwender (z.B. Unternehmer) zur Verhandlung des Vertragsinhalts bereit sein, er muss den Inhalt der AGB zur Disposition stellen. Der Verwendungsgegner (z.B. Kunde) muss die reale Chance erhalten, den Inhalt der Klauseln zu beeinflussen (BGH, 20. März 2014 – VII ZR 248/13, Tz. 27), er muss die Vertragsbedingungen mitgestalten können.

Nach dem BGH erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender die vorformulierten Regelungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH aaO Tz. 27).

Für eine Individualvereinbarung ist erforderlich, dass die andere Vertragspartei (z.B. Kunde) in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (BGH, 20. Januar 2016 - VIII ZR 26/15, Tz. 25).

Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, 20. März 2014 – VII ZR 248/13, Tz. 27).

Ein Indiz für ein Aushandeln ist, wenn es bei Vertragsschluss zur Änderung des vorformulierten Textes kommt, z.B. Leistungsort wird abweichend von dem einseitig gestellten Text vereinbart (sog. Abweichung von AGB). Nach dem BGH ist es unerheblich, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind, denn § 4 AGBG (jetzt § 305b BGB@) verlange keine ausdrückliche Individualvereinbarung. Eine Individualvereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden (so BGH, 21. September 2005 - XII ZR 312/02 unter II.2a).

Eine individuelle Vertragsabrede ist auch nach Vertragsschluss möglich und hat Vorrang gegenüber einer AGB-Regelung. Den Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie getroffen worden sind (BGH aaO). Sie kann ausdrücklich oder stillschweigend, schriftlich oder auch mündlich erfolgen, z.B. nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen haben Vorrang vor Schriftformklauseln in Formularvertrag (s.u. Schriftform).

Für ein Aushandeln genügt nicht,

  • dass der andere Teil (Kunde) zwischen mehreren vorformulierten Bedingungen (Regelungsalternativen) wählen kann,

  • dass der Kunde einige Lücken im Formular alternativ selbst ausfüllen kann,

  • dass der Kunde über die Tragweite und Bedeutung der vorformulierten Klauseln belehrt worden ist.

  • dass der Kunde eine Erklärung unterschreibt, der Vertragsinhalt sei ausgehandelt.

Kein Aushandeln ist auch anzunehmen, wenn die andere Partei keinen Einfluss auf den Inhalt der Vertragsbedingungen hat. Dies ist der Fall, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt werden, z.B. das (einseitige) Verlangen einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat. Entscheidend ist, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, 20. Januar 2016 - VIII ZR 26/15, Tz. 24).

Bei Zweifeln hilft die gesetzliche Vermutung für Verbraucherverträge. Bei Verbraucherverträgen gelten Vertragsbedingungen als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB@). Ein Verbraucher hat Vertragsbedingungen in den Vertrag eingeführt, wenn er z.B. die AGB dem Unternehmer vorlegt und dieser mit der Verwendung einverstanden ist.

Haben die Vertragsparteien sich über verschiedene Musterverträge unterhalten und sich für einen bestimmten Mustervertrag geeinigt, dann kommt das AGB-Recht nicht zur Anwendung, denn charakteristisch für AGB ist, dass Vertragsbedingungen einseitig dem anderen Teil auferlegt werden (BGH, 17.02.2010 - VIII ZR 67/09, Rn. 18), also einseitig gestellt sind. Daran fehlt es, wenn die Verwendung eines Mustervertrags sich als Ergebnis einer freien Entscheidung des anderen Vertragteils darstellt (sog. einvernehmliche Verwendung eines Mustervertrags, dazu auch BGH, 20. Januar 2016 - VIII ZR 26/15, Rn. 24-25).

Beispiel: Privatpersonen unterhalten sich am Telefon darüber, welchen Musterkaufvertrag sie nehmen, um ein rechtlich einwandfreies Vertragsmuster zu verwenden. In diesem Fall geht es weniger um die Durchsetzung eines bestimmten Textes, als um die Benutzung eines rechtlich einwandfreien Vertragsmusters (vgl. BGH, 17.02.2010).


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